Film ist, wo das Leben spielt
Der Preis ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Kirchen dort sind, wo das Leben spielt und Menschen sich von Bildern, Geschichten und Sinnfragen bewegen lassen. Wir fördern junge Talente und sind wichtige Partnerinnen des Kulturschaffens. Wir nutzen die Gelegenheit, dass Filmschaffende und Festivalbesuchende die Kirchen als Akteurinnen wahrnehmen, die sich ins Kulturleben einbringen. In den vergangenen Jahren haben wir die Öffentlichkeitsarbeit zum Filmpreis laufend verstärkt. Es ist uns wichtig, dass die Investition nicht verpufft, sondern Früchte trägt.
Die ökumenische Jury zieht auch Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften bei. Der Preis fördert den Dialog der Religionen. Die Reformierte Kirche unterstützt auch das jüdische Filmfestival «Yesh!» und Filmfestivals muslimischen Kulturschaffens mit finanziellen Beiträgen. Der Preis der Zürcher Kirchen am ZFF ergänzt diese Beiträge durch einen eigenen, kirchlichen Preis, mit dem wir uns in der Öffentlichkeit positionieren. Wie bei vielen anderen öffentlichen Projekten treten die beiden grossen Zürcher Kirchen gemeinsam auf.
Die Kirche ist stark auf bewegte Bilder ausgerichtet. Unsere Social Media-Beauftragte produziert Reels auf Instagram, und auch in den Kirchgemeinden sind Mitarbeitende mit Filmmaterial unterwegs. Es muss aber nicht immer ein Bildschirm sein. Gottesdienste, die Geschichten erzählen und mit Bildern und Bewegung, Musik und Beteiligung arbeiten, machen den Kirchenraum gewissermassen zum 3D-Kino, oder Theaterprojekte bieten Kindern und Jugendlichen eine Bühne zum Gestalten und lassen sie in Schauspielrollen schlüpfen.
Wenn mich meine Kinder für einen Science-Fiction-Film überreden, bin ich oft überrascht, wie toll solche Filme gemacht sein können und wie klug sie denken. Es ist weniger eine Frage des Genres. Aber natürlich gibt es auch blöde Filme. Ich vertraue darauf, dass Geschichten, die Sinn machen und Menschen bewegen, auch gehört, gelesen und gesehen werden. Es ist an uns und an den Filmschaffenden, sie gut und packend zu erzählen.
Ich bin ohne TV aufgewachsen und habe auch später dieses Medium kaum genutzt. Das Kino kam in meiner Kindheit ebenfalls nur am Rande vor, doch während meiner Studienzeit besuchte ich die Kinosäle exzessiv, oft mehrmals wöchentlich. Es waren überwiegend europäische Filme von Regisseuren jener Zeit, Regisseurinnen kamen damals kaum in die Kinos: Kieslowski, Dogma 95, Godard, Chabrol, Téchiné, Kaurismäki, Haneke, Almodóvar, Kusturica – und aus den USA Altman, und ich liebte Retrospektiven im Studio 4: Fassbinder, Buñuel, Fellini, Pasolini, Truffaut, Lang etc.
Mit den Kindern schauten wir dann mit Beamer auch Serien wie Super Girl, Raumschiff Enterprise, «Eine Reihe betrüblicher Ereignisse», Sherlock oder Lupin. «Das brandneue Testament» ist auch in bester Familienerinnerung. Meine Favoriten sind poetisch-skurrile oder gesellschaftskritische Filme, die der Zuschauerin etwas zumuten. Die Filme der Zürcherin Andrea Štaka mag ich. Als letzte Kinofilme haben mich «Anatomie d’une chute» und «Poor Things» begeistert.
Das kann sehr vieles bedeuten. Es ist auf jeden Fall ein Film, der mich im Innern bewegt, wie es die Bibel auch tut. Es kann ein Film sein, der mir Zugang zur Erfahrungswelt anderer Menschen öffnet, oder ein Film, der in überraschender Perspektive eine gesellschaftliche Frage beleuchtet und mich mitnimmt auf die Suche nach neuen Antworten. Auch Filme, die mit Leichtigkeit und Poesie oder mit ungeahnter Tiefe eine Geschichte erzählen und mich Transzendenz erahnen lassen, sind auszeichnungswürdig.
Nein, gerade die interreligiöse Ausrichtung ist ein biblischer Wert. Dass die Völker zusammenkommen und gemeinsam feiern, ist eine Sehnsucht der prophetischen Schriften, und auch das Neue Testament zeugt von der Hoffnung, dass Menschen und Völker aufeinander zugehen, statt sich voneinander abzugrenzen. Der Filmpreis bietet die Gelegenheit, eine breitere Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass die Kirchen sich nicht abkapseln und ihren Glauben in sture Dogmen packen, sondern dass sie sich engagiert in die Debatte begeben, neugierig sind und offen.
Interview: Madeleine Stäubli-Roduner